„Nicht instinktiv europaskeptisch“
Politologe Kratochvíl zur Außenpolitik der künftigen Regierung. Die Verhandlungen schreiten voran, Sozialdemokratenchef Bohuslav Sobotka will bis Ende des Jahres die neue Koalition unter Dach und Fach haben. Dies ist ein guter Zeitpunkt, um herauszufinden, wie sich die zukünftige Regierung außenpolitisch orientieren wird.
Das gesamte Gespräch mit dem Direktor des Instituts für internationale Beziehungen in Prag, Petr Kratochvíl, für Český rozhlas Radio Praha können Sie hier hören.
Herr Kratochvíl, in der Tschechischen Republik laufen derzeit Koalitionsverhandlungen. Nach den Wahlen Ende Oktober scheint sich eine Regierung aus Sozialdemokraten, der Partei Ano und den Christdemokraten herauszukristallisieren. Was glauben Sie, welche der Parteien wird das Außenministerium übernehmen?
„Eigentlich gibt es nur zwei mögliche Kandidaten. Wenn wir die Verhandlungen betrachten, dann ist der sozialdemokratische Kandidat Lubomír Zaorálek stärker. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass der Staatspräsident die Regierung ernennt und dessen Beziehung zu Zaorálek nicht besonders gut ist. Ich glaube, dass hier die nächste Runde im Kampf um die Seele der sozialdemokratischen Partei entschieden wird: Ob Zaorálek ernannt wird oder nicht, das ist die entscheidende Frage.“
Welche Richtung wird die Außenpolitik unter der zu erwartenden Regierung nehmen? Bisher war ja Karel Schwarzenberg Außenminister, er legte hohen Wert auf die Verteidigung der Menschenrechte weltweit. Wird sich das mit der neuen Koalition ändern?
„Die Außenpolitik der vorherigen Regierung war durch ständige Spannungen zwischen dem Außenminister und dem Premierminister charakterisiert. Dies betraf nicht nur die Menschenrechte, sondern auch Fragen, die mit der europäischen Integration verbunden waren. Im Bereich der europäischen Integration erwarte ich daher den größten Richtungswechsel. Die neue Regierung wird sicherlich nicht so instinktiv euroskeptisch sein. Dieser ewige Vergleich etwa zwischen der Europäischen Union und der Sowjetunion, den wir so oft von der vorigen Regierung gehört haben, wird sehr schnell aufhören.“
Welche Personen kommen in Frage für das Amt des Außenministers? Zunächst kursierte ja der Name des ehemaligen sozialdemokratischen Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, Lubomír Zaorálek. Den aber will Staatspräsident Zeman verhindern... Wenn hätte denn die Partei Ano zu bieten?
„Wie bereits erwähnt gibt es da zwei Kandidaten: zum einen der Sozialdemokrat Lubomír Zaorálek und zum anderen Martin Stropnický von der Partei Ano. Stropnický ist einerseits kein unbeschriebenes Blatt, er hat ja bereits einige diplomatische Erfahrungen als Botschafter, zum Beispiel im Vatikan. Andererseits wissen wir fast nichts über seine Prioritäten. Was denkt er über den Fiskalpakt? Welche Beziehungen sollte Tschechien zu Russland haben? Was denkt er über die Situation in der Ukraine? Da haben wir keine Ahnung und Stropnický gibt auch keine Interviews zu diesen Themen. Leider verhält es sich so mit der Partei insgesamt. Politisch ist sie ein Milchgesicht, sehr unerfahren und außerdem intransparent. Keiner weiß, was die Prioritäten und die Politik dieser Partei sind.“
Könnte man da vielleicht von einer eher wirtschaftlichen Orientierung sprechen? Glauben sie, dass die Partei Ano mehr in diese Richtung tendiert?
„Das ist höchstwahrscheinlich so. Der Parteiführer Andrej Babiš ist ja Unternehmer. Er hat ja ausgeprägte Interessen in der Landwirtschaft. Und er hat sich ja schon mehrmals zu mehr Unabhängigkeit des tschechischen Marktes geäußert. Im europäischen Kontext ist dies ein ganz problematisches Thema. Insofern haben Sie Recht, dass er mehr vor allem zu Wirtschaftsthemen tendieren wird.“
Erwarten Sie Probleme zwischen dem neuen Außenminister und Staatspräsident Zeman? Karel Schwarzenberg und Zeman haben sich ja zum Beispiel über die Besetzung von Botschafterposten gestritten...
„Und auch Handelsinteressen und die Beziehungen zu Russland waren damals große Streitpunkte zwischen den beiden. Ich erwarte zahlreiche Probleme und dies nicht nur zwischen dem Staatspräsidenten und dem neuen Außenminister, sondern mit der ganzen Regierung. Staatspräsident Zeman hatte sich eine andere Regierung gewünscht und sogar versucht, eine solche zu schaffen. Aber er hat verloren und kann sich nun einfach nicht abfinden mit der neuen Situation. Das ist sehr Paradox, denn wir haben einen linksorientierten Staatspräsidenten und bald auch sehr wahrscheinlich einen sozialdemokratischen Premierminister. Und doch sind beide politische Erzfeinde, eine Zusammenarbeit zwischen den beiden wird damit höchstproblematisch sein.“
Vielleicht könnten Sie zum Schluss noch vielleicht eine kleine Prognose wagen: Mit welcher Außenpolitik müssen die deutschsprachigen Nachbarn der Tschechischen Republik, also Deutschland und Österreich künftig rechnen? Wird es Veränderungen geben? Zum Beispiel hatte Zaorálek schon angekündigt, den Verkauf des Palais Lobkowicz in Prag an die Bundesrepublik nicht zu genehmigen...
„Konkret diese Frage zum Verkauf des Palais ist eher gegen die Pläne Schwarzenbergs gerichtet, als direkt gegen Deutschland. Allgemein ist meine Prognose ganz einfach. Ich glaube, dass wir mehr multilaterale Zusammenarbeit auf der europäischen Ebene einschließlich mit Deutschland und Österreich erwarten können. Bilateral wird es aber wohl nichts Neues geben, vor allem die Beziehungen zu Österreich werden ein wunder Punkt bleiben. Positiv ist, dass die Spekulationen über spezielle Beziehungen zu Großbritannien aufhören werden. Stattdessen zeigt sich Deutschland in vielen Fragen als der natürlichere Partner. Ich bin mir sehr sicher, dass sich Zaorálek dessen sehr bewusst ist. Daran besteht kein Zweifel. Bilateral wird es demnach nicht so viel Neues geben, multilateral dagegen gestärkte Beziehungen.“
Gibt es vielleicht zu dem anderen Kandidaten Stropnický Prognosen - weiß man wie er zu Deutschland oder Österreich steht?
„Darüber hat er in der letzten Zeit eigentlich nichts gesagt. Dies war nicht sein Spezialgebiet und wie erwähnt, hat er sich mehr mit Fragen zum Vatikan und der Tschechischen Republik beschäftigt. Dies kann aber auch etwas Positives sein, weil er keine Stereotype oder Vorurteile gegenüber Deutschland hat.“
Nahoru